Es ist Nacht geworden, die letzte Nacht.
Noch ein letztes Essen mit den Freunden und Wegbegleitern. „Esst dieses Brot zu meinem Gedächtnis, trinkt diesen Wein und ich bin mitten unter euch, immer.“ Verstanden haben sie’s nicht. Noch nicht. Um wirklich zu begreifen, was an diesem Abend passiert, was am nächsten Tag passieren wird, dazu braucht es noch mehr. Dazu braucht es die Erfahrung des Scheiterns, des Weinens über eigene Schuld und Versäumnisse. Dazu braucht es diese Nacht der Entscheidung. Diese Nacht, in der Jesus seinem Weg noch mal eine ganz andere Wende hätte geben können.
Sie haben sich zurückgezogen in den Garten Gethsemane. Der Wind fährt raschelnd durch die Zweige der Olivenbäume. Sonst. Stille, Schweigen, kein Vogel singt. Die Nacht der Schatten.
Und die Angst kommt hoch, der Zweifel, die Anfechtung, eine unbändige Traurigkeit: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Jesus ringt mit seinem Auftrag, er hat Angst, Todesangst. Und er bittet: „Abba, lieber Vater, dir ist doch alles möglich. Wenn es sein kann, dann lass doch diesen Kelch des Leidens an mir vorübergehen.“
Jesus kommt mir hier so nah. So menschlich. Er ist nicht der starke Held, der seinen Leidensweg mit stoischer Gelassenheit geht, weil er weiß, dass er am dritten Tag auferweckt wird. Nein, er hadert mit Gott, mit seinem Auftrag, er hat Angst vor dem Weg, der vor ihm liegt.
Wieviele Menschen werden heute in dieser Nacht genauso beten: „Gott, lass es doch gut gehen, lass doch trotz der schlimmen Diagnose das Leben siegen. Wende die Dinge zum Guten, du hast doch die Macht.“
Wie gut, wenn man dann in einer solchen Nacht nicht allein ist. Wenn man im Krankenhaus, auf der Pflegestation, im Flüchtlingslager wenigstens einen um sich hat, der da ist, wenn die Angst nach einem greift. Wie gut, wenn es Menschen gibt, die für einen beten, wenn sie kommt, die Nacht der Anfechtung und der Zweifel.
Auch Jesus hätte Beistand gebraucht in dieser Nacht: „Bleibt hier und wacht mit mir“, bittet er seine Jünger, doch diese schlafen. Dreimal weckt er sie und bittet sie, ihn in dieser Nacht nicht allein zu lassen, doch sie schaffen es nicht.
Doch einer schläft nicht: „Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Er ist der Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche, noch der Mond des Nachts. Der Herr behüte dich vor allem Übel. Er behüte deine Seele. Der Herr behüte deine Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.“ (Psalm 121, 4-8)
Und dann kann er aufstehen und seinem Auftrag folgen.
Wenn einer einwilligen kann in die Führung Gottes ist das Gnade, Geschenk. Mein Vater, nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen.
Amen.
Bleibt behütet in dieser Nacht!
Eure Pfrin. Birgit Winkler
Sei du bei mir
Wenn an manchen Tagen
schwer ich trage
bis zur Neige meiner Kraft
und der Schlaf
meine Nächte flieht
gespenstisch weit
bis zum Grauen
des Morgens.
wisch mit kühler Hand
von meiner Stirn
die müden Gedanken,
die fiebernden Fragen,
vom Wort deiner Nähe
lass satt mich trinken
Atemzug für Atemzug,
bis auf den Grund
meiner brennenden Sehnsucht,
du,
sei bei mir.
(Isabella Schneider)