Andacht zum Palmsonntag – Die Salbung in Bethanien

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht in diesen Tagen, aber mir fehlen sie, die Berührungen: die Umarmung zur Begrüßung, das Händereichen, die körperliche Nähe und Zuwendung.

Und ich denke an die Menschen in den Isolierstationen, Intensivbetten, Altenheimen – wie nötig wäre da eine Berührung. Eine Hand, die zärtlich berührt und nicht nur, um Fieber zu messen, oder eine Infusionsnadel zu setzen. Berührung von Haut zu Haut, eine Berührung, die tiefer geht, die auch die Seele erreicht. Eine Berührung, in der sich der Segen Gottes verdichtet und spürbar nahe kommt. Eine Berührung, die tröstet, die zusagt: Du bist nicht allein. Du bist beschützt und gesegnet, was auch kommt.

Im Evangelium für den heutigen Sonntag geht es um genau so eine Berührung. Jesus ist zu Gast bei Simon dem Aussätzigen. Er geht dorthin, wo keiner hingeht, hat keine Berührungsängste. Und als er da so mit seinen Jüngern zu Tisch sitzt, kommt eine Frau herein, die genauso wie er keine Berührungsängste hat. Sie zerbricht ein Glas mit kostbarem unverfälschtem Nardenöl und gießt es auf das Haupt Jesu. Sie salbt ihn, wie ein König gesalbt wird. Welch eine Würde und Schönheit liegt in der Hingabe dieser Frau. Ihr ist egal, was die andern sagen. Es ist so, als wäre sie mit Jesus allein, in einem Schutzraum, in dem etwas geschieht, was so intim und zärtlich ist, dass die andern sich nur eifersüchtig erregen könne: „Was für eine Verschwendung! Mit dem, was dieses Öl wert ist, hätte man viele Arme satt machen können.“ Ja, hätte man. Es ist so viel wert, wie das Jahreseinkommen eines Arbeiters. Doch Jesus hat ihre Scheinargumente durchschaut. Er stellt sich schützend vor die Frau: „Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Arme habt ihr allzeit, und ihr könnt ihnen Gutes tun, wenn ihr wollt. Sie aber hat getan, was sie konnte. Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.“

Tun, was man kann.

Jetzt können wir einander nur eingeschränkt berühren. Wir fassen uns nicht an – doch wir können uns berühren.

Durch Schutzkleidung und Atemmaske hindurch. Augen, zwischen Haube und Mundschutz. Blicke, die Mut machen, die zusagen: Du bist nicht nur eine Nummer, du bist ein Mensch mit Würde und Schönheit. Wir tun alles für dich, um dein Leben zu retten. Und: Wir sind alle in Gottes Hand. Was immer auch kommt. Be- Rührung in der Tiefe.

Das Wissen, dass andere für mich beten. Das Wissen, dass andere für mich Kerzen ins Fenster stellen. Vor den Kliniken oder Altenheimen singen.

Wir fassen uns nicht an – doch wir können uns berühren.

So vieles berührt mich: Balkonsingen, Opernchor aus Mailand der Verdis Nabucco ins Netz stellt, Posaunenchöre, die von der Hoffnung erzählen: Möge die Straße uns zusammen führen…. Jugendliche schreiben in diesen Tagen Karten für alte Menschen in den Seniorenheimen unserer Stadt. Ein kleiner Gruß, ein Bild, ein tröstendes Wort, das sagt: Du bist nicht allein und vergessen.

Ich bin berührt von der Verbundenheit, die bleibt, auch wenn wir uns nicht sehen können. Berührt von der Hoffnung und dankbar für jeden neuen Morgen auf dieser schönen Erde.

Mögen auch Sie in diesen Tagen die Erfahrung machen: Ich bin auch in der größten Angst nicht allein. Gott behütet meine Seele.

Sie bekommen heute einen Duft mit nach Hause. Möge dieser Duft, Sie daran erinnern:

So riecht das Leben. So riecht die Liebe.
Gottes Zärtlichkeit umgibt auch mich.
In Zeit und Ewigkeit. Amen.

 

Als sie das Haus betrat das Salböl in den Händen
Um Liebe zu verschwenden.
Kostbar war der Moment.
Gepriesen, was sie tat.
Kostbar war der Moment
Als sie mit leichtem Gang
Die Mauern der Bedenken
Durchschritt, um Trost zu schenken
Kostbar war der Moment
Für sie ein Lobgesang
Kostbar war der Moment
Als sie das Siegel brach
Und Duft das Haus erfüllte
Sie zärtlich Ängste stillte
Kostbar war der Moment
Erinnerung wirkt nach
Kostbar war der Moment
Als Jesus sie bewahrt
Als sie sein „danke“ hörte
Kostbar war der Moment
Als Gott den Raum betrat.

(Ilona Schmitz-Jeromin)