Auffahren mit Flügeln wie Adler – Andacht zum Sonntag Quasimodogeniti

Hebt eure Augen in die Höhe und seht!
Wer hat all dies geschaffen?
Er führt ihr Heer vollzählig heraus
und ruft sie alle mit Namen;
seine Macht und starke Kraft ist so groß,
dass nicht eins von ihnen fehlt.
Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst:
„Mein Weg ist dem Herrn verborgen,
und mein Recht geht an meinem Gott vorüber?“
Weißt du nicht? Hast du nicht gehört?
Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat,
wird nicht müde noch matt,
sein Verstand ist unausforschlich.
Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden.
Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen;
aber die auf den Herren harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler,

dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jesaja 40, 26-31)

 

Hebt die Augen und seht!

So ruft der Prophet Jesaja es seinem Volk Israel zu. 80 Jahre im Exil in Babylon. Fern von der Heimat. Fern vom Tempel, dem steingewordenen Ort der Gegenwart Gottes. Abgeschnitten von allem, woran das Herz hing. Müde waren sie geworden, matt, der Glaube ganz klein und verzagt. Und sie fragen sich: Wie können wir den Glauben an Gott hier in der Fremde leben?  Der Tempel in Jerusalem liegt in Trümmern am Boden. Wer weiß, ob wir jemals wieder zurückkehren dürfen? Und ob wir dann die Kraft haben werden, wieder ganz von vorne anzufangen?

Wir wissen heute auch noch nicht, wann dieser durch die Corona Krise bedingte Shutdown beendet sein wird, wann wir wieder Gottesdienst feiern dürfen in unseren Kirchen. Wie das alles weitergehen kann, wenn der ganze Spuk vorbei sein wird. Und wir werden nach sechs Wochen Ausgangsbeschränkungen auch langsam müde und fragen: Hey Gott, hast du uns vergessen? Ist es dir egal, wenn so viele Menschen jetzt um ihre Existenz bangen müssen, wenn die Gewalt in Familien zunimmt, weil die Konflikte eskalieren. Siehst du nicht, wenn Menschen in den Alten – und Pflegeheimen sich einsam fühlen, weil sie keinen Besuch von ihren Angehörigen bekommen können, oder ihren letzten Weg unbegleitet antreten müssen? Wo bist du, Gott?

Hebt die Augen und seht! ruft uns Jesaja zu.

Ich wende meinem Blick weg von dem, was mich herunterziehen will, was meinen Gang müde und schleppend macht.
Und ich hebe die Augen auf und sehe.
Ich sehe die Werke der Schöpfung, und staune über diese Wunder, die Gott tut. Einfach so. Geschenkt. Mir und dir. Jeden Tag neu.
Ich sehe den Himmel über mir, die Weite,
und ich atme die Luft, die ich mit allem Lebendigen teile.

Hey Mensch, weißt du nicht, dass du Teil dieser Schöpfung Gottes bist? Gesehen, geliebt, beim Namen gerufen. Niemals würde Gott dich vergessen.

Und ich sehe den Vogelflug.
Der Adler, der sich erhebt,
alle Erdenschwere hinter sich lässt.
Er vertraut sich dem Wind an, der Strömung der Luft.
Leicht und schwerelos gleitet er dahin.

Die auf den Herren harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.

Und ich bitte: Gott lass mich vertrauen,
dass deine Kraft mich trägt. Jeden Tag neu. Amen.

 

Wie kann ich spielen im fremden Land?
Abspringen ins Unvertraute?
die Sicherungen lösen
und die Hände öffnen?

Wohin fallen die Töne meines Liedes?
Wer fängt mein Lachen auf?
Ist alles offen
und kein Gegenüber?

Spielen ohne Sicherung,
Singen ins Offene
und lachen,
weil die Hoffnung wächst.

(Ruth Nickel)